Die Geschichte der legendären Gruppe Dschinghis Khan
Das Superding „Dschinghis Khan“ beschrieb ein junger Journalist das Phänomen für ein Jugendmagazin im April 1980: „Manche üben jahrelang, Tag und Nacht. Sie wollen ins Fernsehen oder wenigsten ins Schallplattenstudio. Aber am Ende spielen sie nur auf dem Dorf beim Turnverein und beim Feuerwehrball. Popmusik ist ein hartes Brot. Aber es gibt auch Genies in der Szene. Zum Beispiel die ‚Super-Ralph Siegel Gruppe‘ Dschinghis Khan. Diese Gruppe hatte schon einen Super-Hit, bevor es sie überhaupt gab. Ihr Hit – er heißt auch ‚Dschinghis Khan‘ – ist hauptsächlich Rhythmus und Tanz. Trotzdem bekam er die ‚Goldene Schallplatte‘. Und eigentlich ist die Musik auch gar nicht so wichtig dabei. Die Hauptrollen spielen: ein cleverer Produzent, ein cleverer Texter, ein cleverer Choreograph (für den Tanz), ein cleverer Kostüm-Designer, eine clevere, schlagfertige Künstlergruppe und viele, viele clevere Teenager mit viel Taschengeld. Fertig ist der Hit.“
So wollte es der Komponist und Produzent Ralph Siegel. In den Pioniertagen bei der Entstehung von Dschinghis Khan war er Spezialist für besondere Einfälle. Er wollte den „Grand Prix de l‘Eurovision de la Chanson“ gewinnen, den Preis der europäischen Fernsehanstalten, damals die wichtigste Trophäe im Pop-Geschäft. Das Lied vom Mongolen-Fürsten Dschingis Khan war dafür sehr gut geeignet: Musikalisch wie ein Presslufthammer mit einem einfachen, aber genialen Text.
„Dsching, Dsching, Dschingis Khan
Hey Reiter, ho Leute, hey Reiter immer weiter
Dsching, Dsching, Dschingis Khan
Auf Brüder, sauft Brüder, rauft Brüder immer wieder…“
(Der Text stammte übrigens nicht von Goethe, sondern von einem Freund des Produzenten, Dr. Bernd Meinunger, von Beruf Agrar-Ökonom.)
Aus nahe liegenden Gründen muss man bei der Interpretation solcher Kunstwerke dem Zuschauer mehr liefern als Musik und Text. Man nimmt dafür am besten, bunte Kostüme, grelle Lichteffekte und wilde Tänze. Schnell fand Siegel eine solche Gruppe, schnell deshalb, weil es schon Februar war und der 31. März 1979 immer näherkam, der Tag des „Grand Prix“ in Jerusalem/Israel. Es suchte vor allem Charakterköpfe, Typen, die aussahen wie Dschingis Khan – oder so ähnlich.
Und er fand das Ehepaar Wolfgang und Henriette Heichel (er: ein ehemaliger Student der Zahnmedizin und Kunstpädagogik, sie Zahnarztgehilfin, Mannequin und Eiskunstläuferin), Lesley Mandoki (mit Schnauzbart und Mähne, Ungar, Jazzmusiker), Louis Potgieter (mit Krone, Profi-Tänzer aus Südafrika), Edina Pop (Schlagersängerin, auch aus Ungarn) und Steve Bender (dem Glatzkopf).
Die Gruppe war also beisammen. Nun musste es schnell gehen. Alles lief nach einem genauen Zeitplan. Der Choreograph Hannes Winkler plante den großen Auftritt. Jede Bewegung wurde geübt und einstudiert. Zur gleichen Zeit entwarf der Mode-Designer Marc Mano in München möglichst irre Kostüme, welche bis heute Kultstatus haben. Vier Wochen nach der Gründung gewannen „Dschinghis Khan“ mit großem Abstand die deutsche Vorauswahl für den Grand Prix. Zwei Wochen später ging es nach Jerusalem.
Der 4. Platz beim Grand Prix war auch der erste internationale Durchbruch. Schon wenige Wochen später bekam die Gruppe eine Goldene Schallplatte, auch für damalige Verhältnisse stolze 500.000 verkaufte „Dschinghis Khan“. Weitere Hits im selben Stil folgten: „Moskau“, „Rocking Son Of Dschinghis Khan“, „Hadschi Halef Omar“, „Rom“; ein Erfolg jagte den anderen. Es regnete Gold und Platin aus der ganzen Welt, neben Deutschland aus insgesamt 20 Ländern, darunter Japan, Australien, Korea, Holland, Belgien, Israel, Dänemark, Schweden, Schweiz, Norwegen und Finnland. Auch die ehemaligen Staaten der UDSSR gehörten zu den ganz großen Liebhabern der Musik von Dschinghis Khan. In den ehemaligen Staaten der UDSSR setzten Dschinghis Khan fünf Mal mehr Platten ab, als im Rest der Welt und erreichte einen Kult Status ähnlich wie ABBA bei uns!
In Israel und Japan belegte die Gruppe souverän Platz 1 der Charts. In Japan sogar in der dreisprachigen Version, was bis zum heutigen Tag keinem weiteren Künstler hierzulande gelungen ist. Sie gewannen u.a. den Deutschen Schallplattenpreis den „Bambi“, den „Goldenen Löwen“ von Radio Luxemburg und die „Goldene Europa“ des deutschen Rundfunksenders Europawelle Saar. So einfach ist das mit der internationalen Bilderbuchkarriere. Dschinghis Khan waren und sind ein glamouröses Aushängeschild für den Sound „Made In Munich“, welcher in dieser Zeit die amerikanischen und weltweiten Charts beherrschte.
Nach zwei Alben verließ Steve Bender 1981 vor Veröffentlichung des Albums „Wir sitzen alle im selben Boot“ aus mannigfaltigen Gründen die Band. Mit „Pistolero“ und „Loreley“ landete Dschinghis Khan trotz des Verlustes noch mal große Hits.
Tänzer und Frontfigur der Band, Louis Hendrik Potgieter, verstarb 1993 an Aids in seiner Heimat Kapstadt/Südafrika. In der Folge entstanden viele Remixe und Medleys der bekannten Dschinghis-Khan-Hits, so z.B. der Titel und das Album „Huh Hah Dschinghis Khan“ (1993) oder die „History of Dschinghis Khan“ (1999).